Der Anwalt der Natur

Zum Tod von Hans Fritschi

Der im Alter von 62 Jahren verstorbene Lehrer setzte sich jahrzehntelang für den Erhalt der Umwelt ein. Dabei geriet er oft mit den Verantwortlichen grosser Bauprojekte aneinander. Gleichzeitig ging er seiner Leidenschaft nach, den Menschen etwas beizubringen – privat und beruflich. Diese Zeitung blickt zurück auf sein Schaffen.
von Dennis Rhiel

V-Bahn-Projekt, Skywalk, Fesselballon – immer, wenn die Interessen von Mensch und Natur im Berner Oberland aneinandergerieten, gab es einen, der an vorderster Front kämpfte: Hans Fritschi. Der ausgebildete Lehrer am Bildungszentrum Interlaken engagierte sich jahrzehntelang im Umwelt- und Naturschutz und war selbst lange Jahre Präsident von Pro Natura Bern. Dabei scheute der in Unterseen lebende Fritschi keine Auseinandersetzungen. Fritschi erhob beispielsweise als Vertreter von Pro Natura zusammen mit der Stiftung Landschaftsschutz Einsprache gegen die V-Bahn. Dabei kam es zu langen und oft emotionalen Verhandlungen und Gesprächen.

Doch genau das sah der 62-Jährige als seine Pflicht. «Ich bin aufgrund meines Amtes einer der Anwälte, welche die Natur heute dringend nötig hat», sagte Fritschi vor einigen Jahren im Gespräch mit dieser Zeitung über die Bedeutung seines Amtes. Während der Ausübung dessen verlor er nie den Überblick und das Mass zwischen der Liebe zur Natur und der Notwendigkeit, sich für eine Sache einzusetzen. Einsprachen gegen umweltgefährdende Projekte würden ja erst dort nötig, wo diese Gesetze vernachlässigt oder wissentlich umgangen würden. «Man macht ja nicht Einsprache um der Einsprache willen», zeigte sich Fritschi seiner Verantwortung bewusst.

Herz des Lehrers
Auch neben seiner Tätigkeit als Lehrer an der Wirtschaftsschule Interlaken, an der er Sprachen und Wirtschaftsgeographie unterrichtete, hatte Fritschi den Drang, den Menschen etwas beizubringen, besonders über die Natur. Er führte zahlreiche Exkursionen durch das Berner Oberland und brachte den Menschen die Natur sowie ihre Vielfalt näher. Dabei machte der Lehrer keinen Unterschied, ob es um seltene Pflanzen, einzigartige Tiere oder Landschaften ging. Zudem lag ihm die Jugend auch neben dem Beruf als Lehrer sehr am Herzen. Er ist Mitbegründer der neuen «ARGE Jugend und Natur Bödeli und Umgebung», die von Pro Natura und der Vogelwarte Sempach unterstützt wird. Weiterhin verbrachte der passionierte Naturschützer seine Zeit damit, für die Vogelwarte Sempach die Wasservögel im Bödeli zu zählen, am Forschungsinstitut für Fremdenverkehr der Universität Bern gelegentlich eine Vorlesung zu halten oder der Funktion als freiwilliger Fischereiaufseher nachzugehen. Die Liebe zur Natur und deren Schutz brachte ihm sein Vater bei. «Mein Vater war ein vehementer Naturschützer, mit einem eigenen Malergeschäft in Wengen durfte er dies aber nicht öffentlich leben.»

Im Sommer dieses Jahres setzte sich der 62-Jährige noch vehement gegen den geplanten Skywalk am Rugen oder den Fesselballon in Interlaken zur Wehr. Dabei ging es Fritschi nie darum, einfach nur auf den Putz zu hauen oder den Verantwortlichen Knüppel zwischen die Beine zu verwerfen. Vielmehr wollte er, dass alles mit rechten Dinge zugehe und auch wirklich nur das gemacht würde, was angesagt wurde. So handelten viele seiner Einsprachen, die er im Namen von Pro Natura gemacht hat, nicht gegen die Projekte an sich, sondern gegen Aussagen und Zusagen seitens der Projektinitianten, die sich dann nicht mit den Projektplänen deckten. «Keine Einsprache, die der Natur nicht etwas gebracht hätte», fasste er zusammen. Dabei war Fritschi immer bereit, auch Kompromisse zu schliessen, wie er selbst einmal erwähnte. Gleiches galt auch für seine Einsprache gegen die Freeride-Bikestrecke Grütschalp in Lauterbrunnen, den geäusserten Bedenken zum Bau des Renn- und Trainingszentrums der Bergbahnen Meiringen-Hasliberg oder den Einsatz gegen die neue Teilzonung der Engstlenalp.

«Ohne ihn wäre die Natur im Berner Oberland ärmer», sagten Freunde und Naturschützer bereits im Jahr 2002. Hans Fritschi starb im Alter von 62 Jahren zu Hause in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember an Herzversagen.